Ostseeman – Deutscher Meister 2022

Der Weg zur ersten Langdistanz – or failing hard in Roth

Eigentlich war es der Plan in Roth erstmals die 226km zu absolvieren, aber trotz optimaler Vorbereitung und einem guten Tapering gelang es mir nicht die Challenge Roth ins Ziel zu bringen. Nach einem selbst für meine Verhältnisse miserablen Schwimmen (65min) über die 3,8km war ich komplett isoliert und musste dementsprechend die Jagd nach vorne alleine antreten. Ab Kilometer 60 fing es dann auch tatsächlich gut an zu laufen und Coach Mario gab mir bei 70 eine Motivationsspritze mit, kurz bevor ich dann am Solarer Berg eine so nicht erwartete Stimmung erleben durfte. Aufgepeitscht von den Menschenmengen an und auf der Strecke ging mein letztes bisschen Zurückhaltung über Bord und ich war im Rennen.

Die nun höheren Wattwerte fühlten sich gut an, es wurde aber gleichzeitig durch Überrundungen merklich voller auf dem Kurs. So kam es dass ich kurz vor einer Abbiegung auf eine langsamere Gruppe auffuhr und diese vorher noch passieren wollte um die Abbiegung wie in der ersten Runde zügig zu nehmen. Leider kam ich nicht rechtzeitig an der Gruppe vorbei und konnte daher die Kurve nicht von außen anfahren. Dementsprechend war meine Geschwindigkeit zu hoch und die Einzige Option war der Weg über eine Verkehrsinsel. Also das TT hochgezogen – und mit beiden Rädern voll vor die Kante geknallt. Ich kam zwar wieder auf die Straße, aber beide Reifen waren platt. Mit 45km/h schlingerte ich über die Fahrbahn und wartete auf den Aufschlag der dann auch passierte.

Wahrscheinlich unter Schock stehend sprang ich auf, packte mein Rad und lief zum circa 800m entfernten Mechanical Service. Dort versuchte man alles um wieder Luft in meine Laufräder zu bekommen, aber vergeblich. Die Mechaniker bekamen keine Luft in meine Reifen und nach 20 Minuten fingen auch so langsam Hüfte und Arm an weh zu tun. Mir blieb also nichts anderes übrig als in den Besenwagen zu steigen und die zweite Radrunde im Bulli zu beenden. Zurück im Zielbereich suchte ich sofort Mario. Unbedingt wollte ich zeigen dass ich auch Langdistanz kann, also wollte ich wissen welches Rennen als nächstes passen würde: Ostseeman war Marios Antwort. In diesem Jahr sogar Deutsche Meisterschaft.

Ostseeman 2022 – Pre Race Vibes

Wenn der Wecker um 4 Uhr klingelt ist das im Leben eines Triathleten meistens ein besonderer Tag. Mein Reiskocher kredenzte mir wie immer ein Pre-Race Porridge und dann ging es ab zum Glücksburger Strand. Vor dem Start
hieß es, die letzten Dinge zu organisieren: Verpflegung am Rad befestigen, Einlaufen und dann ab in den Neo.

Swimming

Bei leichtem Regen ging es um 6:45 in die Fluten – bis zur ersten Boje lief es gut, aber dann verlor ich die vor mir schwimmenden Füße aus den Augen und war kurz auf mich allein gestellt. Zu weit nach rechts getrieben. Links sah ich einige Schwimmer in meinem Tempo und konnte mich reinhängen – dann wurde es auch angenehmer. Gegen Ende der ersten von zwei Runden versuchte ich nochmal eine Schippe draufzulegen. Um mich aus der Gruppe zu lösen war es aber nicht genug, sodass ich mich wieder einsortierte.

In Runde zwei hatte ich dann sogar ein Auge für das, was unter mir war: Seesterne, Muscheln und Krebse. Wirklich einzigartig im Triathlon. Gegen Ende des Schwimmens ging ich im Kopf schon einmal den Wechsel durch. Dann kam auch schon der Schwimmausstieg. Die Muscheln die am Tag zuvor beim Training echt an den Füßen weh getan haben, hat man im Rennen null gespürt. 61min zeigte die Uhr an – wieder nicht unter einer Stunde geblieben, aber immerhin noch alles in Reichweite.

Biking

Mein Wechsel war dann ziemlich mies – die Aero-Socken gingen bei den nassen Füßen nicht gut an und so war ich fast eine Minute langsamer als meine Konkurrenz. Mit Jens Frommhold hatte ich dann trotzdem einen Mitstreiter für die Aufholjagd. Die erste Runde im Regen wollte ich eigentlich konservativ angehen, aber die Beine waren ziemlich gut, also erst einmal Vollgas los und sehen wie weit die Beine einen tragen.

Die erste Hälfte der Runde ist eher zum „pushen“, die zweite Hälfte deutlich hügeliger mit einigen technischeren Abschnitten. Nach meinem Radsturz vor fünf Wochen in Roth wollte ich dieses Malentspannter sein und nicht zu viel Risiko gehen. War wohl nichts. Bevor es runter zur Ostsee ging war ich zu optimistisch und musste aufmachen und in einen Feldweg fahren, um keinen Sturz zu produzieren. Da war der Puls auf einmal richtig hoch. Ist noch Luft im Reifen? Zum Glück ja. Also wieder Lücke zu Jens schließen und keine Fehler mehr machen.

Das Rennen hat sich dann etwas beruhigt und ich fühlte mich bis Ende der zweiten Runde komfortabel. Dann kam die Attacke von Jens und es war echt anstrengend zu folgen. Der Lohn war aber gut –nach 110km sind wir zu einer Dreiergruppe
aufgefahren. Den Angriff von Jens eingangs der letzten Runde bin ich dann nicht mehr mitgegangen – der Abstand auf den Favoriten Fabian Günther war mit 7min so, dass ich mir durchaus Chancen auf den Sieg ausrechnete und dementsprechend nahm ich etwas raus – das Ziel: Mit guten Laufbeinen in der dritten Disziplin meine Stärke ausspielen.

Running

Was beim ersten Wechsel noch schief ging lief dieses Mal phänomenal. Fast der ganzen Konkurrenz eine Minute abgenommen. Es geht also doch (oder es waren die Socken, die ich bereits in T1 mühsam angezogen habe). Den ersten Kilometer bin ich relativ locker angelaufen und habe ihn genutzt um meine Verpflegung in Ruhe in meinem Einteiler zu
verstauen. Dann war es an der Zeit auf „Reisegeschwindigkeit“ hochzuziehen. Geplant war ein Tempo von etwa 3:45min/km. Das hat sich ziemlich gut angefühlt und in Runde zwei war ich bereits an dritter Position. Der Abstand auf den Favoriten Fabian Günter war zu der Zeit noch rund drei Minuten. Also weiterlaufen lassen. In der dritten von sechs Laufrunden verkürzte sich der Abstand weiter und ich konnte Fabian auf den langen Geraden sehen.


Mein Körper fing nun zwar an zu zicken, aber mit der Aussicht an die Spitze zu laufen machte ich weiter. Getragen auch von den vielen Stimmungsnestern! Bei der Halbmarathon-Marke überholte ich Fabian und war Erster. Emotional ein wichtiger Moment, denn mein Körper war inzwischen erschöpft. Meine Reisegeschwindigkeit konnte ich längst nicht mehr laufen – es ging einzig gegen den totalen Verfall. Das Ziel war es nur noch keinen Krampf zu produzieren und gehen zu müssen. Eingangs der letzten Runde tat mir dann alles abwärts der Hüfte weh, aber die Aussicht auf den Sieg und die Zuschauer trugen mich weiter. Trotz drei Minuten Vorsprung war ich mir bis kurz vor dem Ziel meiner Sache nicht sicher.

Ostseeman 2022 – It’s me 🙂

Erst als ich 200 Meter vor dem Ziel war konnte ich das Ganze genießen und realisierte, was passiert ist. Ostseeman 2022 bin anscheinend ich. Die Emotionen kochten hoch und ich genoss den Zieleinlauf. Dort gab es dann wenig später die obligatorische Bierdusche mit den beiden anderen Top 3 Finishern Fabian und Timo. Was ein toller Tag – damit habe ich bei weitem nicht gerechnet. Einfach ein unfassbar toller Tag mit so vielen tollen Menschen. Ich komme wieder. Ich glaube, ich bin nun infiziert mit der Langdistanz und es gibt viele Dinge, die ich noch verbessern kann und will.

Auf zum Saisonfinale

Nach dem Rennen hat mich dummerweise erstmal eine Magen-Darm Grippe niedergestreckt. Anstatt die Woche mit wenig Training zu nutzen um Auszugehen und das Kirmeswochenende zu genießen war ich ans Bett gefesselt. Inzwischen geht es wieder langsam, aber am 10. September steht auch schon das nächste Rennen an: Challenge Almere – Langdistanz EM.

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