Mit der Challenge Davos hatten Simon und ich noch eine Rechnung offen. Was letztes Jahr nicht beendet werden konnte, sollte dieses Jahr nachgeholt werden. Lange für die Challenge Davos 2020 trainiert, wurde sie kurzfristig aufgrund eines starken Gewitters auf dem Flüelapass abgesagt. Dieses Jahr sollte alles besser werden… Sollte!
Kurzurlaub in Davos zur Gewöhnung an die Höhenluft
Wir wollten es besser machen als letztes Jahr und reisten bereits am Mittwoch in Davos an, um uns ein paar Tage an die Höhenluft zu gewöhnen, um im Rennen besser performen zu können. So verbrachten wir eine schöne Zeit mit Freunden (u.a. Phyllis und Michael vom Triathlon Wetterau) und gutem Wetter in Davos.
Am Mittwoch fuhren Simon und ich gemeinsam ein Stück den Flüelapass locker hinauf und genossen 20°C und Sonnenschein. Anschließend schlüpften wir in unsere Neoprenanzüge und absolvierten eine kurze Schwimmeinheit. 20-30min Schwimmen waren geplant, ich ging allerdings bereits nach 13min aus dem Wasser. 16°C Wassertemperatur fühlten sich einfach unglaublich kalt an, wenn man das Schwimmen im Inheidener See bei 25°C gewöhnt war. Meine Füße waren Eisklumpen und mein Gesicht schon leicht taub. 10min später kam Simon aus dem Wasser. Wie sollten wir bitte am Samstag 1,5km bzw. 1,9km in diesem kalten Wasser schwimmen und anschließend nass den Pass rauf fahren? Bis dahin für uns noch ein Rätsel…
Die Hoffnung auf einen Duathlon
Pünktlich zum Wochenende verschlechterte sich das Wetter. Die Temperaturen fielen und der Niederschlag stieg. Wir hatten inzwischen die leise Hoffnung, dass aus dem Triathlon ein Duathlon würde und uns das Schwimmen erspart bliebe.
Freitags stand dann die Wettkampfvorbereitung an: Nochmal den Pass hoch inklusive ein paar kurzen Intervallen in race-pace. Und heute merkten wir die Höhenluft beide deutlich. Der Puls war unter hoher Belastung einige Schläge höher als normal. Wir waren gespannt, wie es im Rennen Morgen laufen würde.
Zurück in der Ferienwohnung angekommen aktualisierten wir zum gefühlt einhundertsten Mal die Challenge-Davos Website ob es neue Infos bzgl. der Renngestaltung geben würde. Die Tendenz ging zum Duathlon, eine definitive Aussage gäbe es jedoch erst am Rennmorgen. Also hieß es abwarten und Tee trinken…
It’s raceday
Die frohe Botschaft erreichte uns bereits früh am Morgen: Es gab einen Duathlon! Die Außentemperaturen waren mit 7°C im Tal und -2°C auf dem Pass einfach zu kalt, um nass Rad zu fahren. Unser kleiner Duathlon-Spezialist Simon freute sich natürlich sehr und malte sich schon eine gute Platzierung aus. Auch ich freute mich den ersten Part um den See anstatt in dem See absolvieren zu dürfen. Definitiv die angenehmere Variante.
Also Wettkampfausrüstung gepackt und ab zum Davoser See, wo zuerst der Startschuss über die Mitteldistanz der Profis mit Simon und anschließend der Agegrouper mit Michael, fiel. Pünktlich zum Start fing es selbstverständlich an zu regnen. Irgendwie hatte ich ein Dejavue, aber Hauptsache kein Gewitter!!
Während ich mich ein bisschen aufwärmte und dabei noch eine Triathletin aus einem Nachbarort von Butzbach kennenlernte (wie klein die Welt doch einfach ist!), sah ich wie Simon nach 4km Laufen als 3. auf sein Rad aufsprang. Läuft bei ihm, dachte ich mir.
Und dann fiel auch irgendwann mein Startschuss über die olympische Distanz. Mit Beinlingen, Stirnband und Handschuhen gewappnet, lief ich eine Runde um den Davoser See. Bereits nach 200m in hohem Tempo merkte ich, dass ich ziemlich kurzatmig war. Echt erstaunlich, was diese Höhenluft doch mit dem Körper macht.
Der erste Wechsel ging dann recht zügig, außer einer Jacke und dem Helm hatte ich ja bereits alles an 😀 Die erste Hälfte des Passes war mir dann noch ziemlich warm und ich fuhr zunächst mit offener Jacke. Doch je höher man kam, desto kälter wurde es und im letzten Drittel der Passhöhe wurde aus dem Regen dann Schnee. Die Füße waren bereits jetzt schon sehr kalt, wie würde wohl die Abfahrt werden?! Außerdem beschlug meine Brille die ganze Zeit, sodass ich kaum etwas sehen konnte.
Mentale Prüfung
Genervt von den ätzenden Bedingungen, den kalten Beinen und Füßen und der schlechten Sicht, kam noch hinzu, dass mir bereits einige Profis entgegen gekommen waren, nur Simon nicht. Er war doch als 3. aufs Rad und war ein starker Fahrer, wo blieb er nur? Zu allem Übel flog dann auch noch ein Rettungshubschrauber den Pass hoch…
Irgendwann sah ich dann plötzlich Simons orange Jacke und machte gedanklich drei Kreuzzeichen. Er kam einfach mit der Höhenluft nicht zurecht, konnte auf dem Rad gar keinen Druck entwickeln und wurde von einem Konkurrent nach dem anderen überholt. Auf Platz 12 liegend, wechselte er dann aufs Laufen und finishte noch als 7. Profi mit der zweitschnellsten Halbmarathonzeit. Nicht wie erhofft, aber mehr war bei diesen Bedingungen einfach nicht drin.
Oben auf dem Pass angekommen, stand das Wasser auf der Straße. Komplett nass und bereits jetzt durchgefroren, konnte ich mir besseres vorstellen als 800 Höhenmeter zu vernichten. Und die Abfahrt war dann definitiv ein Kampf. Ich dachte mir: Je schneller ich unten im Tal bin, desto schneller ist die Kälte vorbei. Bereits nach ein paar Minuten konnte ich meine Füße und Hände kaum mehr spüren. Auch die Jacke, Handschuhe und Überschuhe brachten nicht viel. Ich versuchte mich klein zu machen und schnell an den bemitleidenswerten Athleten mit Carbonlaufrädern und Felgenbremse vorbeizufahren.
Im letzten Drittel der Abfahrt war mir dann so kalt, dass meine Zähne klapperten und mein Oberkörper anfing zu zittern. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt so gefroren hatte. Und ich freute mich so sehr auf dem Lauf, um endlich wieder aufzutauen.
Der Absprung vom Rad war auf jeden Fall ein sehr lustiges Ereignis. Ich merkte, dass meine Beine liefen, aber ich spürte den Boden unter meinen Fußsohlen nicht 😀 Nach einem Wechsel mit vielen Flüchen ging es dann auf die letzten 10km Laufen. Auch die Laufstrecke hatte es in sich. Ich musste zwei Runden absolvieren mit jeweils einem kurzen aber sehr steilen Anstieg. Und hinzu kam, dass wir jede Runde über ein Gerüst mit 15 Stufen laufen mussten, um die Radstrecke nicht zu queren. Ich habe es verflucht! Immerhin konnte ich nach 5km Laufen endlich meine Füße wieder spüren.
Krämpfe waren hier wohl keine Seltenheit 😀
Als 8. Frau kam ich nach 2:34:28std. ins Ziel und war zum ersten Mal sehr stolz über mein Finish. Unterwegs wurde man mental wirklich oft geprüft, sah man einige Athleten aussteigen. Aber wie heißt es so schön: Was einen nicht umbringt, macht einen nur stärker. Die nächsten Rennen würden uns vorkommen wie ein Kinderspiel 😉
Stolz über das Finish bei diesen unglaublich harten Bedingungen und über Gesamtplatz 2 von Simons Athlet Michael Victor bei den Agegroupern, feierten wir unseren letzten Abend in Davos…